Immer wieder kommen die Beschwerden darüber, ein gewisses Flugzeug sei zu stark oder ein gewisses zu schwach, oder die Forderung nach einem gewissen legendären Flieger, den man gern im Spiel hätte. Das betrifft häufig Russen oder Deutsche
Viele Spieler gehen beispielsweise mit der Erwartung an den deutschen Zweig, in einer 109, 190 oder 262 ein Überflugzeug zu haben. Wie sonst hätte die Luftwaffe gegen die alliierte Übermacht so lange standhalten können? Die Ernüchterung ist umso größer, wenn man im Kurvenkampf gegen so ziemlich alles verliert. Die Vermutung liegt natürlich nahe; diese diktatorisch regierten Russen (Spoiler: sind eigentlich keine Russen, dafür ebenso diktatorisch regiert) haben die Deutschen abgeschwächt, damit ihre eigenen Flugzeuge ordentlich abschneiden, die sowieso nur nach dem Motto Masse statt Klasse die Front überfluteten. Oft wird dabei mit lustigem Halbwissen aufgewartet (die FW-190 konnte eine Spitfire auskurven), das einer Diskussion nicht wirklich zuträglich ist.
Räumen wir mal mit dem Ganzen auf.
Die Deutschen verlieren im Kurvenkampf immer, das war sicher nicht so!
Doch, war es. Der größte Nachteil der deutschen Jäger (Bf 109 und besonders auch die spätere Fw 190) stellte sich bereits über dem Ärmelkanal heraus: Ihre geringere horizontale Mobilität im Vergleich zu den britischen Spitfire- und Hurricane-Jägern. Das ging den ganzen Krieg über so; auch an der Ostfront. Selbst gegen die amerikanischen P-38-Doppelrumpfjäger zogen sie manchmal den Kürzeren. Ihre Stärken liegen in der Vertikalen, in der End-, Steig- und Sturzgeschwindigkeit. Das gilt für die schwer bewaffneten zweimotorigen Zerstörer sowieso.
Ausnahmen bilden die FW 190 D und TA 152. Diese als Höhenjäger konzipierten extrem schnellen Flugzeuge wiesen eine schlechtere Steigrate als ihre Vorgängermodelle auf, wendeten aber fast auf dem Kreis, die Ta 152 konnte sogar mit Spitfires kurven, und das trotz der viel klobigeren Konstruktion. WG hat dies jedoch nicht implementiert, damit keine allzu große Umstellung erfolgt; als würdiges Upgrade für die schwer zu meisternden, doch in den richtigen Händen schwer zu besiegenden FW 190 A-Modelle.
Die Deutschen haben mit ihren vertikalen Fähigkeiten die Initiative und eine sehr schwere Bewaffnung, nutzt das entsprechend aus.
Die deutsche Wunderwaffe X fehlt!
Nein, die deutschen Düsenjäger waren keine Wunderwaffen. Das resourcenschonende, doch unzuverlässige Jumo-Triebwerk der Messerschmitt 262 und auch der Ho 229 (die nebenbei niemals als Stealth-Jet knapp unter Schallgeschwindigkeit konzipiert war, das hat sich Northrop als Marketing-Gag ausgedacht - im Spiel wäre sie wohl eine große Zielscheibe, bei der ein paar zentrale Treffer beide Turbinen, das Heck und vermutlich gleich noch den Piloten ausschalten würde.) hätte den Krieg nicht gewonnen, und auch ohne Hitlers Einmischung, welcher den reinen Abfangjäger Me 262 als Bomber missbrauchen wollte (und das, wo Arado schon die Ar 234 in Entwicklung hatte), wäre daraus nichts geworden; der Jumo blieb unzuverlässig, musste wie ein rohes Ei behandelt werden und die 262 konnte nur durch ihre extrem hohe Höchstgeschwindigkeit und Destruktivität gegen Bomber punkten. Sie war schwierig zu manövrieren, beschleunigte furchtbar und die Triebwerke hatten die Tendenz, bei plötzlichem Kurven, zu wenig Schub oder Lastwechsel auszuflammen und damit den Düsenjäger zum Segeln zu verdonnern. Das HeS 011-Triebwerk aus dem Hause Heinkel, welches politisch ständig blockiert wurde, wäre ein guter Entwurf gewesen und wurde in ähnlicher Form nach dem Krieg von den Amerikanern verwendet, schlussendlich scheiterte die Produktion guter und fortschrittlicher Flugzeuge am Eigensinn Hitlers, dem Opportunismus seines Reichsmarschalls und anderen politische Faktoren. Die deutschen Projekte, die im Spiel sind, sind stärker, als sie es eigentlich sein sollten - eine HG3 hätte auch mit den Heinkel-Motoren gegen eine F86 keine Chance.
Und wer das "Kraftei" Me 163 haben möchte, sollte keine allzu großen Erwartungen darin setzen. Man könnte sich genauso gut auf eine tausend Kilometer in der Stunde fliegende Silvesterrakete setzen und hin und da mal ein paar Schüsse abgeben. Der Treibstoff würde nicht einmal für ein komplettes Match reichen, von den wenigen HP und den spontanen Explosionen durch das haarsträubende Treibstoffgemisch gar nicht zu reden. Das manifestierte sich auch im echten Leben - ganze neun Abschüsse fabrizierten die Dinger, im Gegenzug wurden vierzehn heruntergeholt, während die Unfälle in der Luft und am Boden noch Dutzende mehr sind.
Die Russen-Jäger sind viel zu gut, ihre Schlachter halten zu viel aus!
Der Russen-Bias ist ein immer wieder kehrendes Thema in so ziemlich jedem Spiel, das irgendeine Kriegspartei gegen die Russen/Sowjets beinhaltet (und auch im Konkurrenzprodukt, nebenbei). Dazu gibt es eine sehr gute GIF:
http://meta.filesmelt.com/downloader.php?file=t80-large.gif
Das liegt daran, dass Viele von Mütterchen Russland nur minderwertige massenproduzierte Ware erwarten. Diese Erwartungshaltung ist jedoch Blödsinn; am (ziemlich simplen, aber sehr effektiven) Spitzenequipment mangelte es der roten Armee nie. Was sie jedoch nicht hatte, waren so hoch qualifizierte Streitkräfte wie die bestens ausgebildeten deutschen Landser. Schauen wir uns die sowjetische WWS (Luftwaffe) an:
Bei Beginn der Operation Barbarossa hatte die sowjetische Luftwaffe größtenteils den stark veralteten Eindecker I-16 und den noch viel weniger zeitgemäßen Doppeldecker I-15. Die Deutschen hatten bei Kriegsbeginn auch nicht unbedingt die besten Flugzeuge, doch 1 3/4 Jahre Zeit um das ein wenig auszumerzen. Auch die moderneren Entwürfe, die LaGG-3 (die von ihren Piloten aufgrund der Schwerfälligkeit unschmeichelhaft Lackierter Sarg genannt wurde) und die MiG-3 (tatsächlich schneller und wendiger als deutsche Flugzeuge, jedoch furchtbar instabil zu fliegen und unterbewaffnet) konnten nicht gut mithalten. Lediglich die Yak-1 war konkurrenzfähig; sie und weiterentwickelte Modelle bewährten sich während des gesamten Krieges über sehr gut. Als man die LaGG-3 mit einem Sternmotor aufrüstete (La-5), wurde sie ein den deutschen Jägern in fast allen Gesichtspunkten ebenbürtiges, wenn nicht sogar überlegenes Flugzeug, das aber immer noch in der Horizontalen besser war als in der Vertikalen. Der Vorteil der Deutschen hier blieb bestehen - im Spiel nicht anders
Als wegweisend sollte sich die Iljuschin IL-2 herausstellen; ihre dicke Panzerung brachte so manchen Jagdpiloten zum Verzweifeln, und ihre wirksamen Luft-Boden-Raketen und Bordkanonen machten sie zum gefürchteten Gegner der deutschen Panzer und Konvois. Die Stuka-Sprengbomben dagegen richteten gegen Panzer nur bei schwer zu erzielenden direkten Treffern wirklich was aus, und sprengten bei Nahtreffern bestenfalls die Ketten ab. Dazu waren die Ju 87 sehr schwach gepanzert. Dafür war ein Schlachtflugzeug ohne Jägerdeckung Futter; da WG im Spiel Frust vermeiden möchte, halten Schlachtflugzeuge extrem viel aus. Dies ist nicht aus irgendeinem Russenbias entstanden, sondern einfach aus Balancing-Gründen. Außerdem: Auf der anderen Seite ist das Gras immer grüner. Ich als passionierter Schlachterpilot finde nach wie vor, dass so ein schwerer Jäger meine geliebten russischen Ziegelsteien viel zu schnell zerlegt. Und wer die Feuerkraft zu hoch findet, soll es vermeiden, in die überschweren Kanonen eines Schlachtflugzeugs zu blicken, das jedes direkte Duell gegen einen gleichstufigen (schweren) Jäger dank der schweren Bewaffnung, vielen Trefferpunkte und auch mitunter Raketen gewinnen kann.
Mit Waffe X ist nicht zu zielen!
An den Waffen sei hier exemplarisch geschildert, dass eine schlechte Kategorie nicht bedeutet, dass das ganze Flugzeug schlecht ist. Man muss das Gesamtpaket betrachten
Vor und während des zweiten Weltkriegs gab es drei Kriterien, nach denen eine Flugzeugwaffe zu funktionieren hatte:
1. Die Feuerrate, um die Trefferchance zu erhöhen.
2. Das Geschossgewicht, um den Schaden zu maximieren
3. Die Mündungsgeschwindigkeit, um das Zielen zu vereinfachen
Eine gute Lösung um alle drei zu erreichen gab es nicht wirklich, zwei waren das Maximum. Die meisten Nationen pendelten sich letztendlich auf das 20mm-Kaliber ein, welches einen ausgewogenen Mix darstellte, die USA spezialisierten sich mehr auf Punkt 1 und 3. Exemplarisch sei hier die deutsche MK 108 aufgelistet, ein brillianter Entwurf aus dem Hause Rheinmetall-Borsig. Das Geschütz war kompakt, schnell feuernd und extrem zerstörerisch. Der Nachteil lag in der Konzeption als Anti-Bomber-Waffe; die niedrige Mündungsgeschwindigkeit erschwerte das Zielen gegen Jäger. Schlachtflugzeuge massakriert die 30mm-Maschinenkanone jedoch zuverlässig - das kann ich aus leidvoller Erfahrung bestätigen. Gegen Ende des Krieges versuchten die Deutschen das Problem mit dem MG 213 in den Kalibern 20 und 30 Millimetern in den Griff zu bekommen. Es stellte sich wie so viele technologische Errungenschaften der Deutschen als wegweisend heraus, kam aber zu spät und über das Prototypenstadium nicht mehr hinaus. Die 30mm-Version wurde die geringe Mündungsgeschwindigkeit nicht mehr los, daraus entwickelte Versionen wie die im Spiel enthaltene britische ADEN oder die amerikanische M12 lösten das Problem. Jetzt werden sicher viele schreien, dass die Me 262 HG3 den amerikanischen, britischen und selbst sowjetischen (die IL-40p manövriert sie im Kurvenkampf glatt aus) schweren T10-Flugzeugen hoffnungslos unterlegen ist. Die Überlegenheit der plumpen, aber sehr schnellen Nachkriegs-Javelin der Briten und der amerikanischen Cutlass über die deutsche HG III wird jedoch durch einen ziemlich simplen Faktor ausgeglichen: Die im Vergleich mit anderen schweren T10-Flugzeugen (leichte Jäger ausgeschlossen) sehr großen und schweren Ableger der Zweige sind auf großen Geschwindigkeiten und Höhen sehr schlecht kontrollierbar und verlieren viele ihre Vorteile, wo die HG3 sich erst richtig wohl fühlt. Noch dazu sind sie extrem schwer und mit ihrer Deltaflügelkonstruktion furchtbar große Ziele. Stürzt euch nicht immer auf einen Stat.
WG will alles gleich machen und gute Spieler bestrafen!
Das geht nach Patches, in denen bestimmte Flugzeuge, die das Metagame ausmachen (=Das Flugzeug ist sehr einfach erfolgreich zu spielen, ein guter Spieler dominiert damit) immer gern über das Internet. Das Lieblingsspielzeug wurde generft, nun kann man damit keinen Gorowets nach dem anderen einfliegen! Gut bei World of Tanks am KV-1S zu beobachten - ein starker, einsteigerfreundlicher Panzer, der in den Händen derjenigen, die vom Spiel ein wenig Ahnung haben, rasch zur Massenvernichtungswaffe wird. Im Interesse einer guten Spielbalance (man soll mit jedem Vehikel/Flugzeug ähnliche Chancen haben, das Team Richtung Sieg zu schubsen, davon abhängig wie man es spielt, versteht sich), ist das nötig. Oft wird dann der mehr als blödsinnige Satz "Der Entwickler will alles gleich machen, am Ende schießen wir mit Wattebäuschchen in vollkommen identen Klassen aufeinander und Skill macht nichts mehr aus" vom Stapel gelassen. Dass das nicht stimmt, wird sich den Meisten schon an der Tatsache erschließen, dass die Spezialitäten der unterschiedlichen Nationen (bspw. die Japaner, die fast alles auskurven können - außer andere Japaner) nach wie vor erhalten bleiben. World of Tanks ist nach vielen Jahren der Balance nach wie vor kein Einheitsbrei.
Besonders stark zeigte sich dies vor Patch 1.1: Vertikale Manövrierfähigkeit war vorher extrem stark und entwertete Schlachtflugzeuge, japanische und russische Jäger quasi komplett. Es dominierten die amerikanische Mustang-Linie und der gesamte deutsche Zweig. Um die Vielfalt aufrecht zu erhalten, änderte WG gar nichts an deren Flugleistungen, sondern ließ sie beim Steigen einfach mehr Schaden nehmen, vorhin verlief dieser Vorgang fast gefahrlos. Als Folge kann nun auch ein Kurvenkämpfer einem steigenden Gegner wehtun und ist wieder effektiver. Dennoch war der Aufschrei groß, als man plötzlich mit der furchtbaren Tatsache konfrontiert wurde, dass man nun tatsächlich sogar von anderen Flugzeuge als den Dominanten abgeschossen werden kann. Dass zwei Patches davor die Schlachtflugzeuge, eine kleine Minderheit für Liebhaber und Masochisten, noch härtere Nerfs einstecken mussten, war wiederum wenig publik. Vom Balancing-Aspekt her muss immer etwas getan werden, das hat nichts mit Gleichmacherei zu tun, es hält das Spiel am Leben. Was nützt die schönste neue Jäger-Linie, wenn sie mit der momentanen Spielphysik nutzlos ist und sowieso nicht gespielt wird?
Der Thread wird konstante Updates erfahren, über Vorschläge bin ich dankbar. Einen Moderator bitte ich, das Ganze zu pinnen.
Edited by JavikTheProthean, 15 January 2014 - 04:52 PM.